Puma gegen Evrankaya: Magister Edlhaimb geht einkaufen

Puma AG gegen Mustafa Evrankaya: warum ein 15 Zentimeter langer Kunststoffstreifen meinem Schuster in Wien monatelang den Schlaf raubte. Und wieso er ihn doch nicht die Existenz kostete.


„Was wollen Sie? Da kopiert doch jeder jeden.“ Der junge Mann führt mich durch seinen Messestand. „Schaun Sie, das ist unser Fernost-Tisch, und das da“ – er hebt einen Sportschuh hoch – „ist ein Levis-Plagiat.“ Eigentlich, sagt er, steht er ja nur mehr zum Vergnügen hier, sein Leben verdient er sich durch das Geschäft mit Großketten. Aber: „Ich möchte, dass die kleinen Einzelhändler, die hierherkommen, auch eine Chance haben, das, was ich anbiete, einzukaufen. Es werden eh jedes Jahr weniger.“

Sonntagmorgen an der Wiener Südosttangente. Im „Mode- und Textilgroßhandelscenter St. Marx“ hat eben die „Shoes & Bags Hauptorder“ begonnen, veranstaltet vom Club der österreichischen Schuhhandelsvertreter: „79 Aussteller mit insgesamt 154 Marken finden sich vom 2. bis 3. April im Mode-Order-Center ein, um Ihnen die neuesten Herbst/Winter-2006/2007-Trends für Schuh- und Taschenmode präsentieren zu können.“ „Ihnen“, das sind die kleinen Schuhhändler in den Vor- und Bezirksstädten, in den Marktgemeinden und in den Dörfern. Die, die noch nicht – wie so viele – aufgegeben haben. Und mit den vielen Kleinen verschwindet auch der eine oder andere ihrer Lieferanten. Etwa die „Schuhmarketing GmbH“ in Wels, bis Sommer 2005 noch als „Hohensinner Handelsgesellschaft m. b. H.“ mit Sitz in Marchtrenk eingetragen: Am 2. Dezember 2005 wird das Konkursverfahren vor dem Landesgericht Wels eröffnet. Insolvenzursachen (laut Schuldnerangaben): „In den letzten Jahren haben sich die Lagerstände fortwährend verringert. Insbesondere deshalb, da die Umsatzentwicklung stark rückläufig war.“ Aktiva zuletzt: knapp 500.000 Euro. Passiva: gut doppelt so viel.

Von all dem kann Mustafa Evrankaya, Schuster und Schuhhändler zu Wien, nichts ahnen, als er im Frühling 2005 im Modecenter an der Südosttangente anlässlich der vorjährigen „Shoes & Bags Hauptorder“ Schuhe bestellt: bei der Hohensinner Handelsgesellschaft. Und er kann auch nicht ahnen, dass dies der teuerste Schuhkauf seines Lebens wird.


Vielleicht wäre Frédéric Chopin nicht ausgerechnet 1810, sondern irgendein andermal geboren worden, hätte er gewusst, was ihm 150 Jahre post festum in Wien widerfahren würde. So aber kam sein 150. Geburtstag 1960 gerade recht, einer neun Stock hohen Gemeindebauscheibe der herberen Art an der äußeren Taborstraße den Namen zu geben: Chopin-Hof, errichtet in den Jahren 1957 bis 1959 unter Bürgermeister Franz Jonas, wie wir in roten Lettern erfahren.

Immerhin: Den Sockel des Behausungsquaders füllt eine bis heute funktionstüchtige Geschäftszeile. Da reiht sich ein Elektrogeschäft an eine Café-Konditorei, weiter hinten folgen ein Computerspiel-Secondhandshop und eine kleine Greißlerei – und mitten drin der Schusterladen Evrankaya, zwei Auslagen breit, aus denen Preisschilder in leuchtendem Rosa „Sonderangebot!“ rufen.

„Ein eigenes Geschäft, das war immer sein Traum“, erzählt Hatice Evrankaya, Mustafas Frau. Anfang der Achtziger haben sie geheiratet, da lebten beide schon in Wien. Beide stammen aus der Nähe von Istanbul, beide suchten hier die Chance auf eine Zukunft unter besseren wirtschaftlichen Bedingungen als jenen der Heimat, beide waren bereit, den dafür anstehenden Preis zu zahlen: sich mit den Gegebenheiten in einer fremden Welt, so gut es eben geht, zu arrangieren. 1982 wird das erste Kind, ein Sohn, geboren, zwei weitere folgen. Gemeinsam halten Mustafa und Hatice die Familie mit Gelegenheitsarbeiten aller Art über Wasser, aber für Mustafa ist klar, was am Ende aller Anstrengungen stehen soll: Er will seinem beim Vater erlernten Beruf, dem des Schusters, nachgehen.

Zwei Versuche scheitern. Beim dritten scheint Mustafa Glück beschieden. „Wir haben gehört, der Inhaber dieses Geschäfts im Chopin-Hof geht in Pension“, erzählt Hatice. „Mein Mann hat mich gefragt: Ich möchte dieses Geschäft übernehmen, was sagst du dazu? Ich war zuerst nicht begeistert, Sie können sich vorstellen, die Familie, drei Kinder, die in Ausbildung stehen, dazu natürlich die Rechtssituation, die in Österreich im Gewerbe ganz anders ist als in der Türkei. Aber dann habe ich unseren Vorgänger kennengelernt, hab‘ gesehen, dass der wirklich ehrlich und nett ist. So haben wir das Geschäft 2003 übernommen.“

Und weil sich rasch herausstellt, dass von Schuhreparatur und dem kleinen Schuhhandel allein kein Auskommen zu finden sein wird, absolviert Mustafa alsbald einen Lehrgang und investiert in die erforderlichen Maschinen, um seinem Geschäft als Aufsperrdienst eine zweite Einkommensquelle zu erschließen: „Die Leute kaufen die Schuhe billig ein und schmeißen sie dann weg. Wer lässt noch etwas reparieren?“

Billig scheinen zunächst auch die Schuhe, die Mustafa im Frühjahr 2005 bei Hohensinner ordert: 7,90 Euro das Paar, freilich in einer Qualität, die dem Schuster in Mustafa nur eine abfällige Handbewegung entlockt, aber bei 14,95 Euro im Verkauf noch immer für die vorstädtische Klientel erschwinglich, also voraussichtlich gut verkäuflich und somit als Einkommenshoffnung hochwillkommen. Im Mai 2005 werden sie geliefert. 36 Paar. Bis Dezember des Jahres wird knapp die Hälfte davon verkauft sein. Ja, und einmal, Anfang Oktober, wird ein junger Herr gar mehrere auf einmal mit sich nehmen, einer, der nicht so recht ins Bild vom 14,95-Euro-Schuh-Käufer passen will. Nun, der junge Herr geht auch nicht zum Vergnügen in einer Gegend shoppen, wo es sonst nicht gerade viel zu shoppen gibt, der junge Herr ist im Auftrag unterwegs. Und die Klage, die Mustafa Evrankaya Wochen später zugestellt wird, erläutert auch, für wen: für die Puma AG, Würzburger Straße 13, D-91074 Herzogenaurach.


Es waren zwei Weberkinder, die hatten einander gar nicht lieb. Keine drei Lebensjahre trennten die beiden, aber sonst so ziemlich alles, was Menschen auseinanderbringen kann: hier Rudolf Dassler, Jahrgang 1898, extrovertiert, laut und, wenn’s drauf ankommt, auch sehr einnehmend, da Adolf Dassler, Jahrgang 1900, der Grübler, in sich gekehrt, erfinderisch, mit unwiderstehlichem Zug ins Perfektionistische. 1924 gründen sie gemeinsam in der Kleinstadt Herzogenaurach, nahe Nürnberg, ein Unternehmen – die Firma Gebrüder Dassler. Unternehmensgegenstand: die Erzeugung von Sportschuhen. Adolf entwirft, Rudolf verkauft. Eine ideale Aufgabenteilung, könnte man meinen. Der Erfolg stellt sich rasch ein. Dassler-Schuhe erobern den deutschen Markt. Und als auch ein Jesse Owens bei der Olympiade 1936 von Schuhen aus Herzogenaurach zu seinen vier Goldmedaillen getragen wird, scheint die Welt den Dassler-Brüdern offenzustehen.

Doch Rudolf wie Adolf haben schon früh auf Hitler und den Nationalsozialismus gesetzt. Im Zuge der Entnazifizierungsverfahren nach dem Zweiten Weltkrieg brechen alte Ängste, Eifersüchte, Verdächtigungen auf: Es kommt zu (möglicherweise wechselseitigen) Denunziationen (nachgezeichnet in dem kürzlich bei Campus erschienenen Band „Drei Streifen gegen Puma“ von Barbara Smit), die wirtschaftliche Koexistenz der Brüder, die immer sinnvoll, aber niemals friedlich war, ist nicht länger aufrechtzuerhalten. Ab 1948 geht man getrennte Wege, bleibt freilich in derselben Stadt: Adolf Dassler meldet seine neue Firma unter der Namenskurzform „Adidas“ an; Rudolf Dassler versucht vorerst Ähnliches, „Ruda“ will freilich nicht angemessen sportiv klingen, doch von hier zu „Puma“ ist es sprachspielerisch nicht mehr allzu weit.

Sind die Brüder bei der Namensfindung noch halbwegs gleichauf, kommt Rudolf Dassler in Fragen markenspezifischen Designs alsbald ins Hintertreffen: Den drei Streifen von Adidas, 1949 als Warenzeichen eingetragen, setzt Puma erst knapp zehn Jahre später seinen „Formstrip“ entgegen: einen kontrastierenden Lederstreifen, der sich die Schuhöffnung entlang zur Verschnürung zieht, um von da zur Sohle abzuschwingen. Bis heute vermag sich der Puma-Formstrip an Bekanntheit nicht wirklich mit den drei Streifen zu messen; und es ist gewiss kein Zufall, dass er auch von Barbara Smit in ihrer sonst recht sorgfältigen Darstellung der sonderbaren Firmengeschichte von Puma und Adidas nicht weiter berücksichtigt wird. Für den heimischen Obersten Gerichtshof jedoch ist er bekannt genug, ihn in einer Entscheidung des Jahres 2001 „zu den weltweit bekanntesten Bildmarken“ zu zählen; und das muss teuer bezahlen, wer immer Puma Formstrip-mäßig ins Raubtiergehege kommt.


„An das Handelsgericht Wien, Marxergasse 1a, 1030 Wien. Klagende und gefährdete Partei: Puma AG Rudolf Dassler Sport, Würzburger Straße 13, D-91074 Herzogenaurach. Beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei: Mustafa Evrankaya, Kaufmann, ,Schuh & Schlüsseldienst Service‘, Taborstraße 82-88/2, 1020 Wien; wegen: Unterlassung (Streitwert € 30.000.-), Urteilsveröffentlichung (Streitwert € 2000.-), Rechnungslegung und Schadenersatz/Entschädigung (Streitwert € 2000.-), Beseitigung/Vernichtung (Streitwert € 2000.-).“ Insgesamt somit ein Streitwert von 36.000 Euro. Im Mittelpunkt: jene Schuhe, die Mustafa Evrankaya von der „Hohensinner Handelsgesellschaft m. b. H.“ bezogen hat und in denen Puma, namentlich in deren Zierstreifen, eine Wettbewerbs- und Markenverletzung (Formstrip!) zu erkennen meint.

Am 21. Oktober vergangenen Jahres trifft die Klage samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung beim Handelsgericht Wien ein. Wenig später hält Hatice Evrankaya ein dickes Kuvert in Händen: „Ich hab‘ es gleich geöffnet, ich wollte zuerst klarkommen, was das ist, bevor ich es meinem Mann erkläre, der ist für so etwas einfach zu empfindlich, weil er sich wirklich bemüht, alles korrekt zu machen.“ Ein weiterer Grund, warum Hatice die Initiative ergreift: Sie spricht besser Deutsch als Mustafa.

Freilich, auch als deutschsprachig Aufgewachsener hat man so seine Verständnisprobleme, will man begreifen, wie da ein kleiner Schuster (Jahresumsatz 2005 kaum 70.000 Euro) einen deutschen Großkonzern (Markenumsatz 2005 2,4 Milliarden Euro) mit drei Dutzend Paar Schuhen (Gesamtwert keine 300 Euro) „gefährden“ kann, wo doch in dem Augenblick, da ihm das vorgeworfen wird, nur einer wirklich, und das existenziell, gefährdet ist – der angeblich Gefährdende selber. Ganz abgesehen davon, dass sich niemand gerne und so ohne weiteres klägerische Freundlichkeiten wie „schmarotzerische Ausbeutung“ um die Ohren schlagen lässt. Gut möglich, dass eine entsprechend eklatante Diktion im juristischen Sprachgebrauch so und nicht anders üblich ist; in der kargen Werkstatt des Kleinhandwerkers nimmt sie sich genauso unangemessen aus wie in der gutbürgerlichen Wohnstube des Redakteurs.

„Wir waren schockiert“, erzählt Hatice. „Und wir haben überlegt: Was sollen wir machen?“ Hatice und Mustafa wenden sich – an wen sonst? – an ihre Interessensvertretung, die Wirtschaftskammer. Der Informationswert des Beratungsgesprächs bleibt dürftig: „Die haben sich die Sache angeschaut und nur gesagt: Sie brauchen einen Anwalt.“ So weit wären Evrankayas auch ohne Wirtschaftskammer gekommen. Was sie seither rätseln lässt, ob sie sich für jährlich 315 Euro Kammerumlage nicht substanziellere Dienstleistung erwarten dürfen. Der anschließend konsultierte Anwalt bekundet zwar seine Bereitschaft, die Sache zu vertreten, aber nur gegen 4000 Euro Vorschuss nebst einem wohl auch nicht ganz unerheblichen Rest nach Abschluss des Verfahrens: Und woher sollen Hatice und Mustafa allein die 4000 Euro nehmen?

Erst ein hilfsbereiter – und offenkundig kompetenter – Mitarbeiter des Wiener Wirtschaftsverbandes macht sie nach ausführlichem Beratungsgespräch auf die Möglichkeit einer kostenlosen Verfahrenshilfe aufmerksam, begleitet die beiden zum Gericht, hilft ihnen, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Wenig später ist die Verfahrenshilfe genehmigt, und Ingeborg Lehner, Rechtsanwältin in Wien I, Mahlerstraße 13, nimmt sich der Sache an. Am 6. Dezember ist die Klagebeantwortung formuliert: Gegenständliche Schuhe trügen „auf der Seite deutlich sichtbar die Typenbezeichnung ,Footloose‘„, es sei „nirgends der für Puma typische Puma-Vermerk angebracht“, und auch der „gebogene Streifen, welcher beidseits am Schuh angebracht ist“, sehe „völlig anders aus als der von der klagenden Partei verwendete“. Die Schuhe sähen „den von der klagenden Partei vertriebenen und geschützten – sieht man vom Vorhandensein einer Sohle und eines Schuhbandes ab – in keiner Weise ähnlich“. Und: Im Übrigen stehe „im Fall des Prozessverlustes dem Beklagten ein Regress gegen seinen Lieferanten offen“. Dieser Lieferant freilich hat vier Tage zuvor Konkurs angemeldet – ein Regress wird da nicht wirklich möglich sein.


Tonnenschwer, doch schwerelos schwebt er im Raum, als wär‘ er nicht von dieser Welt: der langgestreckte Empfangstisch der Rechtsanwaltskanzlei Schönherr in der Wiener Tuchlauben. Auch sonst könnten den Besucher ob so viel perfekter Selbstpräsentation Zweifel an der Diesseitigkeit des Ortes befallen – fänden sich an den Verglasungen der Bilder des Besprechungszimmers nicht die Klebspuren der Verpackungen, die noch keine reinigende Hand entfernt hat. Gottlob, die Erde hat mich wieder.

Guido Kucsko wiederum, Schönherr-Partner und ausgewiesener Markenrechtsspezialist (kürzlich ist bei Manz, Wien, „marken.schutz“ erschienen, sein wuchtiger Kommentar zum Markenschutzgesetz), passt ideal ins überirdisch entrückte Image, so makellos, so souverän, so in jeder Wendung druckreif präsentiert er sich und sein Metier: „Der Markenschutz hat eine hohe Bedeutung, eine extrem hohe meines Erachtens, weil die Produkte zunehmend ununterscheidbar sind in der Qualität und in der Funktion und die Kaufentscheidung sehr wesentlich nach der Marke getroffen wird.“ Und: „Die Marke hat ihren eigenen Charakter, ihr eigenes Leben, und die Produktmanager müssen sehr darauf achten, dass sie diese Markenidentität aufrechterhalten, pflegen und nicht stören. Und weil diese Marke so wertvoll ist, wird sie auch verteidigt.“ Verteidigt gegen eine – tatsächliche – Flut von Fälschungen: seien es „harte“ Plagiate, dem Original so ähnlich wie ein Logo dem anderen, oder auch „weiche“ Lookalikes, die nur bei flüchtigem Hinsehen Assoziationen zum Marken-Vorbild wecken.

So weit, so unbestreitbar. Interessant nur, dass, glaubt man einschlägigen Berichten, ein gar nicht so kleiner Teil gerade der „harten“ Plagiate von denselben (meist fernöstlichen) Förderbändern kommt wie die Originale: Hier holt die allenthalben gar so lukrative Produktionsauslagerung zu Lizenznehmern in Billigstlohnländern die Markenfirmen über den Fälschungsumweg als wirtschaftliche Bedrohung ein. Ein paar zusätzliche Arbeitsschichten genügen, und schon kann der Lizenzproduzent den Schwarzmarkt mit ein paar tausend garantiert echten und dennoch gleichermaßen falschen Top-Originalen beliefern. Die Puma-Pressestelle, zu diesem Zusammenhang befragt, gibt sich sphinxisch: Markenrechtsverletzungen seien „Wirtschaftskriminalität im globalen Maßstab, unabhängig davon, ob Fabriken selbst betrieben werden oder die Produktion durch Outsourcing an externe Hersteller vergeben wurde“. Kurz gesagt: Schmeck’s.


Manuel Edlhaimb verspätet sich. Alle sind da, nur der Vertreter des Klägers nicht. Aber der Richter, Rainer Geißler, weiß Bescheid. Da ist ja der schadhafte Aufzug, und bis einer unter diesen Umständen den 24. Stock erreicht, das kann schon dauern. 21. März 2006, 10 Uhr, Saal 2406 des Wiener Handelsgerichts: „vorbereitende Tagsatzung“ im Verfahren Puma AG gegen Mustafa Evrankaya. „Vorbereitende Tagsatzung“, das will in diesem Fall nicht viel bedeuten: Vorzubereiten ist da nichts, zu eindeutig die Fakten, zu sicher die Position des Klägers. Da ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in vergleichbarer Sache, da sind mehrere Verfahren, in denen Puma Recht gegeben wurde. Für Mustafa Evrankaya ist nichts zu gewinnen. Jede Verteidigung muss sich auf Schadensbegrenzung beschränken. Und als Manuel Edlhaimb, Mitarbeiter der Kanzlei Aubauer, Berethalmy, Deuretzbacher & Rumpf, fünf Minuten nach zehn schließlich doch ins oberste Geschoß des Handelsgerichts vordringt, geht es längst nicht mehr um das Was, nur mehr um das Wieviel.

Edlhaimb gibt sich als jener junge Herr zu erkennen, der vergangenen Oktober die inkriminierten Schuhe bei Evrankaya erworben hat, und scheint sich mittlerweile hinreichend vergewissert zu haben, dass sich hinter den zwei unscheinbaren Auslagen in der Taborstraße nicht gerade eine Distributionszentrale für Puma-Lookalikes verbirgt (wie sie, weiß er zu berichten, hinter anderen unscheinbaren Auslagen durchaus zu finden sein sollen).

Die Klage, juristisch hoch gerüstet, als gelte es nicht einen Schuster, nein, ein ganzes feindliches Schuhimperium in Schach zu halten, löst sich auf in Konzilianz, keine Rede mehr von Entschädigung, auch auf die Urteilsveröffentlichung (die allein genügt hätte, Evrankaya in den Ruin zu treiben) wird verzichtet, bleiben die Kosten des Gerichts und die Anwaltskosten des Klägers, auf niedrigst denkbarer Stufe mit 1000 Euro angesetzt. Zu bezahlen ab September in Monatsraten à 50 Euro.

Vor dem Verhandlungssaal wird mich Edlhaimb anschließend höflich über die vielfältigen Gefahren aufklären, denen eine Weltmarke wie Puma heute ausgesetzt ist; auch wird er mich höflich und ganz und gar beiläufig fragen, ob ich denn zufälligerweise mit der Konzernzentrale in Herzogenaurach Kontakt aufgenommen hätte. Und ich werde höflich, wie man’s hierorts eben ist, so tun, als müsste er’s nicht wissen.


Mustafa Evrankaya, Schuster zu Wien, ist noch einmal davongekommen. Was er nicht verstehen kann: wieso gerade er und nur er von allen, die jene Schuhe bei der „Hohensinner Handelsgesellschaft m. b. H.“ bestellten, von Puma geklagt wurde. Und warum Puma – folgt man dem Hohensinner-Masseverwalter, Gerald Haas – nicht weiter danach fragte, woher denn die Schuhe zu Hohensinner gekommen sind. Haas‘ Kommentar zur Evrankaya-Causa: „Ich weiß nicht, wieso man da den großen Pracker rausgeholt hat.“ Den Puma-Pracker, das Original, echt nur mit Formstrip sicherlich.


Wolfgang Freitag, „Die Presse“, „Spectrum“, 8. April 2006

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