Hofmobiliendepot: Wir sind Kaiser!

Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus. Und ausstaffiert wird sie vom Hofmobiliendepot. 4700 Ausstellungsquadratmeter von Weltrang – und was sie über unser Geschichtsbewusstsein erzählen.


„Hoffentlich regnet es morgen nicht.“ Besorgte Blicke wenden sich dem feuchten Wiener Novemberhimmel zu. Morgen, da ist Staatsbesuch angesagt. Von wo? Wie hieß das gleich? Turkmenistan? Wie auch immer: Staatsbesuch bedeutet, dass der rote Teppich ausgerollt wird. Oder, falls einer nicht reicht, die roten Teppiche, davon gibt’s nämlich mehrere, der längste, 72 Meter, Kokosläufer, wiegt knapp hundert Kilo. Solange er nicht nass wird. Drei- oder viermal so viel, hat er sich erst mit Regen vollgesaugt. Da kann es schon vorkommen, dass er zu schwer ist, um in den LKW gehievt zu werden; dann muss er eben liegen bleiben, bis er halbwegs abgetrocknet ist.

Wien-Neubau, Ecke Mariahilfer Straße, Andreasgasse: In diesem Häuserblock sind die Bundesmobilienverwaltung und ihre Werkstätten nebst den roten Teppichen der Republik untergebracht. Und die am wenigsten bekannten 4700 Ausstellungsquadratmeter von Weltrang, die Wien zu bieten hat: das Hofmobiliendepot – einerseits „eines der größten Möbelmuseen“ überhaupt, wie man sich dort mit Recht zugute hält, andererseits von Kaisers Zeiten her und bis zum heutigen Tag zentraler Fundus, aus dem sich der Staat repräsentativ möbliert. Im Übrigen – zusammen mit der Schwesterinstitution Silberkammer – das einzige nennenswerte Museum der Stadt, das ohne Direktor oder Direktorin auskommt: Als Sammlung gehört es der Bundesmobilienverwaltung an, die wissenschaftliche Leitung ist im Wirtschaftsministerium zu Hause, und für den Betrieb sorgt seit 1992 die selbstständige „Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges. m. b. H.“, die ihrerseits wiederum zu 100 Prozent im Eigentum der Republik steht. Alles nur der Synergieeffekte wegen – und weil Personal, abseits des Bundesdiensts beschäftigt, billiger kommt.

Dass die Organisationsform kritischen Geistern womöglich kurios kakanisch scheinen mag, tut nichts zur Sache: Was wäre so viel kakanischem Inhalt eher angemessen? Und schauen wir uns nur die hiesige Realverfassung an. Zwar heißt’s seit Längerem: „Österreich ist eine demokratische Republik.“ Und: „Ihr Recht geht vom Volk aus.“ Aber ausstaffiert wird sie noch wie ehedem: vom Hofmobiliendepot – aus der Verlassenschaft einer Monarchie, verschieden vor 90 Jahren, nach langem, schwerem Leiden ihrer Untertanen.


Maria Theresia ist an allem schuld. 1747 führt sie nach französischem Vorbild eine Hofmobilieninspektion ein, verantwortlich für Inventarisierung, Lagerung, Pflege und Transport des höfischen Mobilienbestands: als da sind nicht nur die Möbel im engeren Sinn, sondern auch Baldachine, Teppiche, Tapisserien, Vorhänge, Luster, Bilder. Eine anspruchsvolle Aufgabe in jenen Tagen, weil der Habsburgerhof ziemlich regelmäßig ziemlich weit herumkommt: und das nicht nur anlässlich allfälliger Krönungsfeierlichkeiten in Frankfurt, Pressburg oder Prag. So folgen den Wintertagen in der wohlausgestatteten Wiener Hofburg warmwetterliche „Séjours“, Aufenthalte in Sommerresidenzen wie Schönbrunn, Laxenburg, Hetzendorf oder Schlosshof, allesamt repräsentable Immobilien, doch unbequemerweise vorwiegend unmöbliert. Begeben sich Kaiser und/oder Kaiserin samt personellem Zugehör also auf Reisen, so werden  ihnen das  Inventar für Zimmer, Küche, Kabinett vorausgeschickt und für Salon und sonstige Repräsentation gleich noch dazu. Was schon mit LKW oder Bahnfracht mühsam genug wäre, mit Pferdegespannen uns heute schier undenkbar scheint. Nebst solchen logistischen Notwendigkeiten treibt noch ein weiteres Movens zur Einrichtung des neuen Amts: Maria Theresias Maxime der „bescheidenen Haushaltsführung“, der man am Wiener Hof bis in dessen letzten Tage begegnen wird.

Und die geht über die „gute Verwahrung und reine Erhaltung“ des Bestands, auf die der Hofmobilieninspektor via „Instruction“ eingeschworen wird, und über die Mahnung, „aller Verwahrlosung vorzubeügen“, noch weit hinaus. So sind der Hofmobilieninspektion von Anfang an Werkstätten angeschlossen, Tischler, Tapezierer, Vergolder und Teppichrestaurateure, die abgewohntes Gerümpel in präsentables Interieur rückzuverwandeln haben. Habsburg-Recycling sozusagen.

Und sieht man von einer Handvoll Ausrutschern ab (die heute als Prunkstücke diverser Sammlungen gute Gewinne abwerfen), gibt man sich auch sonst ausstattungsmäßig sparsam – bis hin in die intimsten Intimitäten. So weiß Eugen Ketterl, Leibkammerdiener Kaiser Franz Josephs, zu berichten: „Ich fand völlig verzopfte Verhältnisse vor. Man sollte es zum Beispiel nicht glauben, dass weder in der Wiener Hofburg noch in Schönbrunn noch in Ischl ein Badezimmer vorhanden war. Auch keine Klosette gab es in kaiserlichen Appartements. Sowohl in der Burg als auch in Schönbrunn musste der Monarch durch drei Zimmer gehen, um zu seinem Leibstuhl zu gelangen.“

Wie sich das ausnahm, wohin der Kaiser da zu Fuß hinging, diese Zimmerklosetts oder auch imperialen Nachttöpfe in den gediegensten Varianten, die kann man heute im Hofmobiliendepot ausgestellt sehen: zweiter Stock, Raum Nummer 19 auf dem Plan, „Hygienemöbel“ – einige wenige vorzügliche Stücke auf edlem Holzpodest. Und nicht so, wie sie wohl ursprünglich untergebracht waren, als das Depot eben noch tatsächlich Depot und nicht vor allem Schaustatt war.


1901 wurde hier, Mariahilfer Straße 88, das „k. k. Hofmobilien- und Materialdepot“ eingeweiht – als erste zentrale Lagerstätte der Bestände, komfortabel auf halbem Weg zwischen Hofburg und Schönbrunn gelegen: gut 100 Meter lang, im Erdgeschoß Remisen für Hofmöbelwagen unterschiedlicher Größen, darüber geräumige Säle für all die Einrichtungsgegenstände, die gerade nicht – oder vorderhand nicht mehr – benötigt wurden.

Eine Ahnung jener Tage hat sich in die Gegenwart gerettet: in den Museumsteil „Begehbares Depot“, der gleich an die „Hygienemöbel“ anschließt – Tische, Stühle, Betthäupter dicht an dicht, teils hinter Gittern und auf zwei Pawlatschenetagen. Das „Wie es ist“ des Depots zum musealen „Wie es war“ geronnen.

Freilich: Schon vor dem Ende der Monarchie entwickelt sich das Lager mehr und mehr zum Zwitterwesen, werden erste Schauräume eingerichtet. Nach 1918 schließlich fällt der Bestand ins Eigentum der Republik, wird dem Wirtschaftsministerium unterstellt, keine sechs Jahre später die erste „Schausammlung“ eröffnet. Eine Wandlung der vormaligen „Rumpelkammer Seiner Majestät“, die Alfred Polgar eher schnippisch kommentierte: „Jetzt haben die Leute vom Depot aus ihren Möbellagern eine Ausstellung gemacht. Das ging ohne viel Mühe. Sie hängten eine Tafel hin: ,Es wird gebeten, die Gegenstände nicht zu berühren‘, und schrieben auf die Türen ,Eingang‘ und ,Ausgang‘.“

Je nun, so einfach kann es nicht gewesen sein. Nebst Möbeln aus Empire, Barock und Rokoko, zu stilkundlichen Einheiten gruppiert, sind es vor allem die eigens komponierten Biedermeierkojen, die alsbald die Funktion von Musterkollektionen übernehmen. „In den Zwanzigerjahren gingen die Tischler mit ihren Kunden ins Hofmobiliendepot, um zu zeigen, was man alles machen kann“, berichtet Eva Ottillinger, stellvertretende wissenschaftliche Leiterin des Hauses. Wobei diese Ensembles schon damals als idealtypische Zeugnisse einer altwienerischen und jedenfalls bürgerlichen Wohnkultur wahrgenommen werden – und nicht als das, was sie tatsächlich sind: frei erfundene Kompositionen aus den Beständen des Kaiserhauses.

Die Biedermeierkojen sind bis heute erhalten, als „Museum im Museum“, nur feuersicher hat man sie gemacht; sonst aber hat sich viel im Haus verändert während des Umbaus der Neunzigerjahre: Zwei Nachbargebäude wurden zugekauft, der Museumseingang in die Andreasgasse 7 gedreht, die vormaligen Remisen teils in Depoträume umgebaut. Denn Zwitterwesen ist man nach wie vor, noch immer auch Ausstatter im höheren Auftrag: nicht mehr für Filmproduktionen oder Privatiers wie bis in die Fünfzigerjahre, doch weiterhin für Botschaften und Staatsorgane aller Art. Der Schwund: überschaubar. Heute  zumindest. In der guten alten Zwischenkriegszeit soll’s noch ganz anders hergegangen sein.


Armselig liegt es da, geschunden und zerfurcht, das Möbelskelett, an dem sich Lorieke Würrer zu schaffen macht. In den Werkstätten einen Stock über den Schauräumen des Hofmobiliendepots will Würrer die Kunst der Möbeltapeziererei erlernen, nach althergebrachtem Brauch, mit Rosshaar und Sprungfedern, Gurten und Palmfasern und jedenfalls abseits der ordinären Schaumstoffpolsterei unserer Zeit. Gemeinsam mit ihrem Lehrlingskollegen Simon Kern ist Frau Würrer ausersehen, der Arbeit an altem Mobiliar ein jugendliches Antlitz zu geben – für den Besucher, der sie mit seiner Kamera umkreist.

„Wir sind sehr stolz auf unsere Werkstätten“, bekennt Eva Ottillinger, „und auf den Nachwuchs, den wir uns selbst heranziehen.“ Unsere Werkstätten: Das sind heute neben der Möbeltapeziererei noch die Vergolder eine Tür weiter und die Tischler auf der anderen Seite des Erschließungsgangs. „Unsere Intention ist es dabei auch, dass wir unsere Handwerkstechniken, die auf dem freien Markt vom Aussterben bedroht sind, am Leben zu erhalten. Für gar nicht so weniges gibt es einfach keine Lehrstellen mehr.“

Mit einigem davon macht Herr Kern den möbeltapezierermäßig bis dato Unberührten in einem Kürzestkurs bekannt: mit dem Polstern an sich und im hier Besonderen, mit Vorderstich und Hinterstich, mit den Geheimnissen der deutschen und der französischen Schnürung. Und während an ihrem Tisch nebenan Lorieke Würrer die Sprungfedern an die Gurten ihres Biedermeierkanapees zurrt, wendet sich Kern schließlich wieder seinem Werkstück zu: einem jener weiß-golden gefassten Stühle mit rotem Damastbezug, ohne die kein Empfang der Republik ein Empfang der Republik wäre. Rund 550 Stück hat man auf Lager, 150 davon aufwendig vergoldet – die allerdings sind dem Bundespräsidenten und seinen Gästen vorbehalten. Für so ein paar kleine Standesunterschiede braucht es schließlich keine Krone auf dem Staatsoberhaupt.


Die Monarchie lag schon in ihren vorletzten Zügen, als sie uns jenes Weiß und Gold mit Rot bescherte, das, einst imperiales Habsburger-Signet, auch die ziemlich unimperiale hiesige Gegenwart repräsentieren darf. Für das Hofburg-Appartement von Erzherzog Franz Karl und Erzherzogin Sophie, den Eltern Kaiser Franz Josephs, wurde es ursprünglich geschaffen, Ende der 1830er, einerseits an die Formensprache der Zeit Maria Theresias angelehnt, wesentlich ergänzt jedoch durch jenen roten Stoff, aus dem bis heute manche ästhetische Träume von Monarchisten sind: Hofdamast nennt er sich korrekt, als Ananasdamast ist er geläufig, weil man auf den ersten Blick eine eingewebte Ananas darauf zu erkennen meint. Doch die Ananas ist ein Pinienzapfen, das Laub rundum Akanthus und das ganze Möbel nicht einmal halb so Rokoko, wie es sich gibt, sondern Rokoko aus zweiter Hand. Neo halt. Klingt nach „neu“. Und signalisiert vom inneren Gehalt her – neoliberal! neokonservativ! – letztlich doch nichts weiter als „uralt“. Neolithisch halt.

Von einem einzigen Zimmer in der Wiener Hofburg aus überzog ein weiß-gold-rotes Leichentuch das ganze Habsburgerreich in seinem letzten Lebenszehntel. Ein Habsburgerreich, das bis dahin ganz gut ohne eigentlichen Habsburgerstil ausgekommen war. Mit Moden oder Stilepochen wechselten die Formen, Farben, in denen Ihre Majestäten residierten. Was nicht zuletzt der Schausammlung des Hofmobiliendepots heute eine wunderbare Vielfalt an Exponaten aus Barock, Empire, Biedermeier beschert.

Mit einem Mal war’s damit vorbei, von Amts wegen gewissermaßen. Eva Ottillinger: „Der Obersthofmeister hat so ungefähr gesagt: Dieses Neorokoko ist für das Decorum des allerhöchsten Hofes angemessen.“ Basta. Und hat damit vor knapp 170 Jahren eine Corporate Identity geschaffen, die wir behandeln, als müsste sie allein schon  deshalb bleiben, weil sie schon immer dagewesen. Freilich: Wie jedes Immer hat auch dieses irgendwann einmal angefangen. Und vielleicht hört es auch irgendwann wieder auf.


Wenn Eva Ottilinger durch ihr Reich geht, dann purzelt aus ihr Geschichte in Geschichten: von Kaiser Franz I., seiner Liebe zur Gärtnerei und seinen Kanarienvögeln Bibi und Büberl, die erst Tod – und Präparator – in einem Käfig vereint hat (Raum zehn, „Kaiser-Franz-Saal“); vom letzten Thron der Hofburg und seinem löchrigen Samtbaldachin, der, nach verbissenem Amtsgerangel doch noch erneuert, auf Weisung des Obersthofmeisters und zerschlissen, wie er war, in Budapest weiter Dienst tun musste (Raum sechs, „Habsburgersaal“); und von Caroline Auguste, der vierten Frau des „guten Kaisers Franz“, und ihrem Diwan, in dessen Lade der Kammerdiener seine Schlafstatt fand (Raum 16, vis-à-vis der Biedermeierkojen).

Ottillingers Mission, die freilich spürt man erst gekommen, wo die Sammlung das Monarchische abstreift: bei der umfänglichen Präsentation Thonetscher Bugholzmöbel, im Raum „Wiener Moderne“ mit Loos und Hoffmann und der von Ernst A. Plischke 1928 gestalteten Wohnung für die Keramikerin Lucie Rie, in einem „Wachsende Sammlung“ genannten Zimmer, das von Roland Rainers Stadthallen-Sesseln aus den Fünfzigerjahren über Luigi Blau und Hermann Czech herauf bis in die unmittelbare Gegenwart führt. „Es gibt junge Designer, die ein neues Objekt einfach hierherstellen“, erzählt Ottillinger. Und: „Das Haus hat sich den Ruf erarbeitet, dass die Dinge gut aufgehoben sind.“

Manches werde aus Verlassenschaften angeboten. Anderes stamme gleichsam von der Deponie: So sei die rote Ledersitzecke, entworfen in den Dreißigerjahren von Josef Zotti für das Café Museum, beim Rückbau des Lokals in eine vermeintlich ursprüngliche Form, die sich auf Adolf Loos berief, schlichtweg aus dem Fenster gekippt worden.

Jetzt steht sie da im zweiten Stock des Hofmobiliendepots und weiß nicht recht, wie ihr geschah: ein Original des Hoffmann-Schülers Zotti, ersetzt an seinem angestammten Platz durch ein Imitat nach Adolf Loos. Wie meinte Loos schon 1911, im  Kontext mit den Diskussionen um sein umfehdetes Haus am Michaelerplatz? „Mir bangt nicht für mich, mir bangt für die Baukünstler in 100 Jahren. Wen werden sie davon in 100 Jahren mit dem Haus am Michaelerplatz erschlagen?“


„Das Erbe“ steht gleich am Beginn, als Thema über dem ersten großen Schauraum des Hofmobiliendepots: ein Saal der kuriosen Fülle und des Wandels. Betstühle aus den Schlafzimmern der Donaumonarchie und Fußschemel, Spiegel und Kandelaber, Uhren und Prunkvasen verschiedener Epochen, jeweils zu Dutzendschaften formiert, eine Armee höfischen Interieurs. Und was wird in 100 Jahren hier zu finden sein, als das Erbe unserer Zeit?

Auf die „Wachsende Sammlung“ wird man im Hofmobiliendepot nicht hoffen dürfen: Die ist schon jetzt so gut wie voll, was allerdings nicht viel heißen will, ist sie doch in einem der kleinsten Schauräume des Hauses untergebracht. Kein Versäumnis, nur korrektes Abbild des hiesigen gesellschaftlichen Konsens: Wie viel Raum weisen wir in unseren Köpfen dem lang Vergangenen zu – und wie wenig unserer Gegenwart?

Was in einem – regelmäßig nur so herrlich imaginierten – Damals geschah, ist das Maß; was heute geschieht, allenfalls störend. Wir führen Stadtbild-Debatten mit jahrhundertealten Canaletto-Veduten, halten die Zinskasernen der Gründerzeit für vorbildliche Wohnquartiere – und wo’s so richtig schön und pittoresk und vor allem touristisch verwertbar werden soll, da möblieren wir die Stadt wie anno Schnee, als sei das elektrische Licht noch nicht erfunden.

Wen wundert’s da, dass ein obskurer Robert Heinrich I. zu donnerstagnächtlicher ORF-Stunde seit Monaten Traumquoten einfährt, wenn er vor der Kamera Hof hält? Hauptsache, wir sind wieder Kaiser: Eine gute halbe Million Zuschauer kann nicht irren. Und selbst wenn ein Teil des Erfolgs gewiss der Tatsache geschuldet ist, dass sich da vor Seiner vermeintlichen Majestät auch wirkliche Kulturstadträte, Sportheroen oder Festspielpräsidentinnen zum Deppen machen lassen: Schimmert da nicht durch das Gewebe des Comedy-Vergnügens die Sehnsucht nach einer irgendwie sakrosankten Autorität, und sei es eine von televisionären Gnaden?

Gut, Robert Heinrich I. ist kein Kaiser. Sein Amtssitz ist nicht die Hofburg, sondern das „Haus der Industrie“ am Wiener Schwarzenbergplatz. Und sein Thron stammt vom Filmausstatter Schmiedl in der Hernalser Geblergasse. Aber unsere Republik, die ist – so scheint’s – noch immer k. u. k.


Wolfgang Freitag, „Die Presse“, „Spectrum“, 29. November 2008

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