Bundesheer: Lustig samma, Kriag spüln tamma!

„Parade 05“ oder: Das Handwerk des Tötens als Gaudi. Eine Nachlese.


Wir sind wieder wer. Hermann Maier gewinnt wieder Riesentorläufe. HC Strache zeigt, dass Österreich auch im politischen Zeitalter n. H. (nach Haider) in der Kategorie Mobilisierung der grauslichsten Ressentiments international wettbewerbsfähig bleibt. Und, jawohl, das Bundesheer darf wieder paradieren. So richtig, nicht mit angezogener Handbremse wie vor zehn Jahren, als ein „Bundeskanzler das Mitführen von Panzern verboten hatte“, wie sich ein heimischer Chefredakteur einen Tag post festum „kopfschüttelnd“ erinnert. Wer wollte unter solchen Umständen länger leugnen, dass die blauschwarze Wende des Jahres 2000 auch ihr Gutes hatte.

„Schon der Beginn der Parade ist ein Paukenschlag“, verspricht das Informationssystem des Verteidigungsministeriums am 25. Oktober. „Hubschrauber, Transportflugzeuge und Kampfjets werden über die Köpfe der Zuseher hinwegfliegen.“ Und dann, dann „wird der Ring erzittern: Es kommt die Panzerfamilie des Bundesheeres“, Mama Panzer, Papa Panzer und Panzerkind, alle ausgerüstet mit schnuckeligen Bordkanonen, die im Ernstfall zum rockigen Kettenrasseln auch noch – Tschingdarassabumm – den alles zerfetzenden Beat liefern.

Ja, so sieht es eben aus, wenn sich ein Land, folgt man obigem Chefredakteur, „so würdig und fast harmonisch“ feiert wie „noch nie“: Da bleiben boulevardgerecht Münder offen, und es glänzen die Augen, wenn „nach dem donnernden Tiefflug von 100 Luftfahrzeugen 200 Panzer sowie 600 Spezialfahrzeuge an den Ehrengästen“ vorbeidröhnen: „Gänsehaut pur.“ Eine Eva M. überrascht mit dem Bekenntnis, nicht gewusst zu haben, „dass die Rekruten so fesch sind“. Und in der Staatszeitung darf „ein älterer Herr“ unkommentiert mit folgender angeblich mitgehörter Mobiltelefonnachricht zitiert werden: „Wenn ich das alles so vor mir sehe, werden richtiggehend großdeutsche Gefühle in mir wach.“

Zugegeben, auch in mir. Angesichts all der „klopfenden Herzen“ entlang des Rings, die am Tag danach die hiesige Zeitungslandschaft bevölkern, und ihrer Phrasen-Kompagnons, des Krachs, der selbstredend ohrenbetäubend, des Vibrierens im Magen, das selbstredend dumpf ist, angesichts jenes Arsenals sprachprotziger Floskeln, das man immer dann hervorholt, wenn die Größe des Gefühls beschworen und doch nur das Ende der Vernunft dokumentiert wird, ist nicht mehr ganz klar auszumachen, ob wir nun Oktober 2005 oder März 1938 schreiben.

Und richtig, „Gänsehaut pur“ verursacht es mir zu lesen, das „Probesitzen in Fluggeräten und Panzern“ habe gerade den „Jüngsten sichtlich Spaß“ gemacht: Vielleicht sollte man den Erfahrungshorizont der Kleinen bei solcher Gelegenheit gleich um jenen nicht ganz unwesentlichen Aspekt erweitern, wozu all die netten technischen Kleinigkeiten, all die coolen Features dieser „Fluggeräte“ und „Rollgeräte“, oder wie immer man Vernichtungsmaschinen dieser Art beschönigend bezeichnen mag, geschaffen wurden: um solche wie sie umzubringen.

Nein, hier geht es nicht um ein Plädoyer für die Abschaffung des Bundesheeres. Das wäre eine ganz andere Debatte. Hier geht es schlicht darum, die Dinge so zu nennen, wie sie sind: dass ein „Heer des Friedens“ nicht existiert, sondern nur eines, das dafür gerüstet ist, blutig Krieg zu führen – und dass uns das Handwerk des Tötens nicht als Event, als Volksfest, als Gaudi verkauft werden darf. Denn so wirklich lustig ist noch keiner im Feld krepiert.


Wolfgang Freitag, „Die Presse“, „Spectrum“, 29. Oktober 2005

Weitere Artikel